24.07.2022
Zweite Stammstrecke: Kostenexplosion und Bauverzug kommen planerischem Offenbarungseid gleich- Bahn muss aktuelle Informationsebbe erklären

Es scheint, als dass in Deutschland bedeutende Großprojekte nicht mehr durchgeführt werden können.

BERLINER FLUGHAFEN, die ELBPHILHARMONIE, Stuttgart 21 oder jetzt die 2. Stammstrecke.

Aus der heutigen Sicht und dem Kenntnisstand heute war die ursprüngliche Planung und die damit verbundene Kostenschätzung zu kurz gesprungen. Teilweise lässt sich das - so finde ich erklären- denn die Planungshorizonte für solche „Jahrhundertprojekte“ sind einfach zu lang in Deutschland. Damit könnte man zumindest einen Teil der enormen Preissteigerungen erklären. Der Verzug in der Fertigstellung könnte man auch versuchen zu erklären: Umplanung hier, Umplanung da, neue Genehmigungsverfahren notwendig, da können in Deutschland schnell Jahre ins Land gehen. Z.B. das - ich nenne jetzt einfach einmal das Bauwerk U9 am HBF: ein Vorhaltebauwerk für eine in die Zukunft gerichtete Investition und weder zeitlich noch monetär in den Ursprungsplanungen berücksichtigt worden.

Was aber tatsächlich ein Desaster ist, ist die fehlende Transparenz und Kommunikation. Offene, ehrliche Kommunikation ist zwar manchmal schmerzhaft und kostet vielleicht Wählerstimmen. Am Ende des Tages werden die Bürgerinnen und Bürger das aber gut finden und quittieren.

Wir FREIE WÄHLER lassen uns heute nicht in die Haftung nehmen. Die FDP damals mit in der Staatsregierung hat das Projekt mitbeschlossen und auf den Weg gebracht – heute DA- Antragsteller???

Aus unserer Sicht standen damals mehr Gründe gegen den Bau als dafür.

Heute aber stehen wir zur 2. Stammstrecke. Ein Betongrab, in dem Milliarden Euro versenkt wurden, kann und darf es nicht geben. Der Gedanke daran wäre der Wahnsinn. Die Entwicklung der Zahlen von Personen, die heute U-Bahn und S-Bahn nutzen, sprechen für sich und die Kapazität, die der jetzigen Stammstrecke zugrunde liegen - Stichwort Olympia 72 - sind lange überholt. Und um ehrlich zu sein, keine anderen Transportmittel bringen so viele Menschen von A nach B wie ein Zug. Deshalb ist die 2. Stammstrecke wichtig. Aber auch der Ausbau der Außenäste – ein Gesamtkonzept für den Ballungsraum fehlt bis heute - 2014 hat zudem die Staatsregierung den 4-gleisigen Ausbau der S4-West - und da spekuliere ich jetzt mal frech - wegen Kostenrisiken der 2. Stammstrecke, beerdigt. Heute plant man Gott sei Dank wieder 4-gleisig. S7-Ost: da stellt sich der Vertreter der Bahn vor wenigen Wochen im Verkehrsausschuss des Kreistages hin, beerdigt den 2-gleisigen Ausbau und rudert am nächsten Tag zurück. Das, liebe Bahn, kann nicht sein. Ohne die weitere Ertüchtigung der Netze in München wird es mittel- und langfristig nicht gehen. Der Ausbau des ÖPNV landauf, landab muss beschleunigt werden. Ob S-Bahnausbau in München oder Rufbussystem im Bayerischen Wald, intelligent muss es gemacht sein und lösungsorientiert.

Ja, wir werden darüber sprechen müssen, seit wann es bekannt war, dass die Schere zwischen Planung und Umsetzung immer weiter auseinander ging. Aber jetzt bringt uns nur der Blick in die Zukunft weiter. Und es geht nicht an, dass als Vertreter unserer Fraktion Florian Streibl und mir bei der Baustellenbesichtigung  am 20.6. uns potemkinsche Dörfer gezeigt werden und nicht der Hauch eines Risikos erwähnt wird. Auch auf meine explizite Frage hin an den Konzernbevollmächtigten der Bahn, wie sich Coronakrise, Ukrainekrieg, Lieferkettenprobleme usw.auswirken.

Wie können wir die Risiken managen, die sich nun gezeigt haben. Können wir jetzt in den Dialog mit dem Bund treten und eine Anpassung der Finanzvereinbarung erreichen? Dort sind nun die zuständigen Minister in Berlin im Gespräch. Welche Maßnahmen müssen nun ergriffen werden, um die Lücke zwischen heute und der Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke zu füllen und einen Kollaps zu vermeiden. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sie sehen, gedanklich sind wir gar nicht so weit auseinander. Doch aus der Sicht der Freien Wähler gehen die vorliegenden Dringlichkeitsanträge nicht weit genug: Wir wollen als Parlament das Projekt
2. Stammstrecke intensiver begleiten und eine Baubegleit- bzw. Kontrollkommission, die sich aus allen Parteien zusammensetzt, installieren. Es geht hier um Milliarden Euro, die zusätzlich ausgegeben werden müssen. Und dort ist zusätzliche Kontrolle notwendig, das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat, wenn nicht sogar im Bund schuldig. Deshalb darf es nicht bei Berichtsanträgen bleiben.